Während meines Kunststudiums an der Akademie in Stuttgart kam jemand aus der Musikhochschule auf mich zu: Kannst Du uns ein Plakat machen? Hundert Mark? So fing das an. 1980.

Ich nutzte Papier, Stifte, Tusche und Pinsel, Schere und Tesafilm und rüstete mit einem für meine Verhältnisse ziemlich teuren Satz Stempelbuchstaben auf – cremefarbene Gummiteile und verschieden breite Holzhalterungen, alles fein gepackt in grünem Blechkasten. Ich habe ihn noch heute.

Meine gezeichneten, gestempelten und geklebten Vorlagen verschwanden in einer Wunderkammer, in der okkulte foto-technische und chemische Prozeduren abliefen und über einen Film schließlich zu einer Druckplatte führten.

Man arbeitet heutzutage mit dem Computer, sagte mir ein Absolvent einer Hochschule für Gestaltung und besorgte mir einen gebrauchten Mac. Eine hochformatige Kiste mit kleinem Schwarzweiß-Monitor. Ein verglaster Puppenkaufladen mit Beleuchtung. Steht heute im Museum.

Fortan hatte ich Tastatur und Maus und QuarkXPress und Aldus Freehand und betrieb learning by doing. Der Rechner war nur mit der Steckdose verbunden – nichts mit Internet.

Je älter ich wurde, umso größer wurden die Arbeitsspeicher und Festplattenkapazitäten, umso schneller die Rechner und leistungsfähiger die Programme, umso anspruchsvoller auch die Aufgaben und komplexer die Probleme. Ich habe die Desktop-Publishing-Revolution miterlebt.

1990 nannte ich mein zweites Tätigkeitsfeld neben der freien Kunst schließlich „palmer projekt“.

Irgendwann konnte man auf der Straße ohne Kabel telefonieren und ich erfuhr, dass wegen der Möglichkeiten, die ich auf dem Schreibtisch hatte, die Setzer ausgestorben waren; die Reprografen und die Filmbelichter folgten ihnen nach.

Ich hatte die Vorstellung, dass man sich alles selber beibringen kann, und als ich zum ersten Mal gefragt wurde, ob ich auch Internetseiten mache, sagte ich ja und arbeitete mich über die Sommerferien in Adobe GoLive ein.

Blauäugigkeit hält fit, verbraucht aber viel Lebenszeit. Alternative Konzepte sind mir nicht geglückt, Leute anzustellen, habe ich verpasst. Aber durch meine Neugier fand ich immer die richtigen Partner: Messebauer, Rahmenmacher, Metallhandwerker, Architekten, Toningenieure, EDV-Fachleute, die an dem einen oder anderen palmer projekt mitarbeiteten.

Oft genieße ich die Freiheit, verschiedene Techniken selbst beizusteuern – z.B. die Fotoaufnahmen oder Illustrationen für Plakate, Kataloge oder Internetseiten. Kunden schätzen es, alles aus einer Hand zu bekommen und – für manche überraschend, für mich selbstverständlich –, dass der Grafiker inhaltlich mitdenkt. Sie fühlen sich fachlich wie menschlich gut bei mir aufgehoben; Geschäftsbeziehungen, die bereits Jahrzehnte währen, sprechen dafür.

Von der Visitenkarte bis zum kompletten CI, von der Website bis zur Außenbeschilderung, vom Logo bis zu Fahrzeugbeschriftung, von der Illustration bis zum Katalog, vom Plakat bis zum Informations-Display im Cortenstahl-Gehäuse – das alles können palmer projekte sein.

Auch wenn beim einen oder anderen davon spezialisierte Partner mitarbeiten: letzten Endes bleibt palmer projekt EIN Mann; und wenn den der Schlag trifft, ist es vorbei.

Jürgen Palmer